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Poetryslam

Von Chicago nach Regensburg -
Die Geschichte des Poetry Slam in Bayern


1986 erfand der Performance Poet Marc Kelly Smith in Chicago diese Form der Wettkampflesung, die später die ganze Welt erobern sollte. Im "Green Mill Jazz Club" kreierte er einen Abend, bei dem Dichter auswendig ihre Werke rezitierten und um die Gunst des Publikums rangen, den "Original Chicago Uptown Poetry Slam". Der Begriff "Slam" (engl. "schlagen", auch "Schlacht") befand Smith für passend, um die wetteifernde Stimmung der Slam - Nächte im Chicagoer Arbeiterviertel "Bucktown" wiederzugeben.

Vieles von dem, was wir heute bei Poetry Slams an Geflogenheiten, Fachwortschatz oder Traditionen kennen, geht auf Marc Smith und sein "Chicago Poetry Ensemble" zurück, so die Team- und Einzeldisziplin, die Regeln und die Zeremonie-Details des Wettkampfes. Und vieles davon kommt wiederum aus der Zeit, als Marc Smith noch garnicht an den Poetry Slam Wettkampf selbst dachte, sondern mit seiner Poesie-Tourgruppe Anfang der Achtziger durch Chicagos Jazzbars zog und unermüdlich, ähnlich Shakespeares Wandertheater, Gedichte in einer Art Revue-Cabaret-Show performte.

Bald schon verbreitete sich der Poetry Slam über die gesamten USA. In New York begann das legendäre "Nuyorican Poets Cafe", bereits in den 70ern stets ein Ort für performte Gedichte, 1991 mit Poetry Slams. Hier kam nun der Hip Hop Aspekt hinzu. New Yorker Slam Poeten zierten bald Cover von Lifestyle Magazinen und waren regelmäßig auf MTV zu sehen. Heute gibt ein den USA hunderte von Slam Clubs, einen eigenen Dachverband "Poetry Slam Inc." und mit "Youth Speaks" eine davon unabhängige Schülerliga. Kinofilme wurden gedreht, eigene Plattenlabels gegründet und seit 2004 erobert mit "Def Poetry Jam" eine neue US Poetry Fernsehshow ein Millionenpublikum. Der jährliche US National Slam, die amerikanischen Meisterschaften, sind viertägige Großveranstaltungen mit gigantischem Aufwand.

Nach Europa kam der Poetry Slam nur kurze Zeit später. In London, Stockholm, Berlin und Amsterdam fanden 1993 und 94 erste Slams statt. Ab 1996 begann sich die deutsche Poetry Slam Szene zu formieren. Die Slam-Master Ko Bylanzky & Rayl Patzak aus München, Wolf Hogekamp aus Berlin und Boris Preckwitz aus Hamburg trafen sich 1996 erstmals und beschlossen, einmal im Jahr gemeinsam eine deutsche Meisterschaft auszutragen. Die erste fand im Jahr darauf in Berlin statt und hatte rund 400 Zuschauer in zwei Tagen. Heute gibt es Poetry Slam in fast 100 deutschen Städten, Ländermeisterschaften, eigene Poetry Fernseh-Shows und Newsgroups. Die deutschsprachigen Meisterschaften erreichen Zuschauerzahlen von über 10 000 Zuschauern in vier Tagen

In Bayern begannen im Februar 1996 Rayl Patzak und Ko Bylanzky damit, im Münchner SUBSTANZ einen regelmäßigen monatlichen Poetry Slam aufzubauen. Rund 400 Besucher drängen sich seit genau 14 Jahren pro Veranstaltung in dem Club an der Münchner Poccistrasse, der immer ausverkauft ist. Fast jeder internationale Slam Poet von Rang ist hier mindestens einmal aufgetreten. Weitere Shows wie "Speak & Spin", "Bewegungsfreiheit", "Word up!" im Atomic Cafe, die "Lauschlounge" in den Münchner Kammerspielen oder jüngst "Poetry in Motion" gaben Patzak und Bylanzky den Ruf, nicht nicht nur auf das Wettbewerbsformat "Poetry Slam" zu setzen, sondern performative Poesie in vielen verschiedenen Spielarten zu entwickeln, was wiederum dem Facettenreichtum des Poetry Slam zugute kam. 2002 kreierten beide in den Münchner Kammerspielen "Poetry! Dead or Alive ?", einen Poetry Slam, in dem tote Dichter, verkörpert durch Schauspieler, gegen lebendige Slam-Poeten antreten. 1998 und 2006 fanden die deutschsprachigen Meisterschaften in München statt.

Seit April 2001 veranstaltet die Alte Mälzerei in Zusammenarbeit mit Ko Bylanzky und Rayl Patzak den Regensburger Poetry Slam. Schon bald entwickelte sich in Regensburg eine ganz eigene Szene, die auch jährlich Teilnehmer zu den deutschsprachigen Meisterschaften entsendet. Workshops für Schüler am Theater Regensburg und ein eigener U-20 Slam komplettieren nun das Poetry Angebot in Regensburg.

Ein besonderer Ballungsraum mit enormer Slam-Dichte entwickelte sich in Franken. Hier entstanden in den letzten Jahren über ein Dutzend regelmäßige Poetry Slams, die alle bestens gefüllt und vernetzt sind. Besonders der Wahl-Nürnberger Michael Jakob sorgt für ständige Erweiterung. Erlangen und Würzburg können hierbei auf eine lange Tradition zurückblicken. Außerdem gibt es hier, einzig in Bayern, eine eigene fränkische Meisterschaft, die jährlich ausgetragen wird.

Doch auch in Schweinfurt, Buchloe, Landshut oder rund um den Bodensee tobt das Slam-Fieber. Eine besonders lange Slam Geschichte in Bayern haben die Poetry Slams in Landsberg a. Lech und Augsburg. Bayern ist auch bei den deutschsprachigen Poetry Slam Meisterschaften bestens vertreten. Mit dem amtierenden deutschsprachigen Vize-Meister Christian Ritter aus Würzburg im Einzelwettbewerb und dem Sieger-Team PAUL, das aus zwei Münchnern und einem Stuttgarter besteht, belegten Süddeutsche beim SLAM 2009 in Düsseldorf die vorderen Plätze.
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